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Fischen für Grosse

Nachdem mir Thomas vor einiger Zeit "Fischen mit Kanu" beigebracht hatte, stand heute das Fischen für Große auf dem Programm. Abgemacht war, dass wir uns um fünf Uhr früh bei Chris treffen um mit ihm in sein Motorboot zu steigen und Trawlfischen zu gehen.
Als mein Wecker um viertel nach vier zur Tachwacht piepste regnete es draußen. Ich rief mir wieder die Weisheit in den Sinn, die ich ich irgendwo mal gehört hatte: "Vor und nach einem Gewitter fängt man die größten Fische", richtete mir Kaffee und ein feines Frühstück. Bernard, unser aller Chef, wollte sich die Möglichkeit viele Fische abzustauben nicht entgehen lassen und hat sich unserer Gesellschaft angeschlossen, was mir wiederum den Luxus bot, die paar Kilometer zu Chris nicht zu Fuß gehen zu müssen. Als ich jedoch zum Haus von Bernhard kam war alles ruhig und trotz meinem lauten Räusperern und Selbstgesprächen regte sich nichts hinter den Fenstern. Für offensivere Aktionen war ich zu so früher Stunde zu feige und beschloss eine halbe Stunde später wieder zu kommen. Um halb sechs war es schon hell und ich überwand mich zu einem kräftigen "Bernard!", das ein bisschen lauter als meine in der letzten Zeit bedenklich oft stattfindenden Selbstgespräche war. Es polterte und eine Minute später sah er mich im Regen stehen und begüßte mich mit einem passenden "Ren, ya!". Wir einigten uns darauf, dass er mich abholen kommt, wenn er es für Richtig hält.
Bei Chris gabs, während er das Boot klar machte, ein zweites Frühstück bestehend aus Buai und Spear, und schon gings los. Leider ist der Regen stärker und nicht wie gehofft schwächer geworden und der kräftige Wind machte ihn noch unangenehmer. Doch wir pflügten tapfer frierend durch meterhohe Wellen und hielten nach Fischen und Vögeln Ausschau. Vorerst konnten wir weder das eine noch das andere ausfindig machen, dennoch entschloss sich ein ca. 60 cm langes Exemplar, ein Fisch, kein Vogel, sich in meinem Haken festzubeissen. Für mich war dies kein schlecher Anfang. Als wir dann endlich Vögel entdeckten und ihnen zu den Fischen folgten gings erst richtig los. Ein Fisch nach dem anderen landete im Boot, und als Regen und Wind langsam nachließen, wurde die ganze Sache noch besser.
Am frühen Nachmittag landeten wir mit über 40 Fischen zwischen 30 und 70 cm wieder am Peles von Chris. Neben drei großen Fischen kam ich als Einziger in den Genuss von zwei Extras: mein Finger waren von den Angelschnüren verschnitten, weiters, obwohl ich den Übeltäter nicht eine Sekunde gesehen hatte, durfte ich auch einen Sonnenbrand mit nach Hause schleppen. Bernard lud mich noch auf eine Fisch-Jause al Kananka ein und daheim machte ich mich gleich an das filetieren des Fangs, weil ich, obwohl das Essen bei Bernard überaus schmackhaft war, eine komplizierte Zubereitungsart der Kanaka-Variante vorziehe.
Die dabei entstandenen Fischabfälle wollte ich dem Meer wieder zurückgeben, als mir beim Öffnen der Haustüre die schon seit einigen Tagen bettelnde Katze entgegenmiaute ging ein Teil der Reste an die rothaarige Dame, ein weiterer Teil für diese in den Kühlschrank und den Rest trug ich, mit Stirnlampe bewaffnet, in Richtung Salzwasser. Ich watete in tieferes Wasser und als plötzlich ein stechender Schmerz meinen rechten Fuß durchschoss überlegte ich mir erst, womit ich irgendeinen Masalai da beleidigt haben könnte, so hatte ich doch, wie es der Brauch verlangt, den ersten großen, selbst gefangenen Fisch einem Alten geschenkt. Als ich wieder am Strand war musste ich feststellen, dass ich nun endlich mal die Erfahrung machen durfte, bei der ich, wenn über sie von anderen erzählt wurde, immer nur zusammengezuckt bin und mein Gesicht verzogen hatte. Der Nagel der Großen Zehs war nur noch ganz hinten mit dem Rest des Fußes verbunden und ich konnte das erste Mal in meinem Leben sehen was sich unter dem Nagel abspielt. Ich konnte nur Blut entdecken, glücklicherweise hatten sich weder Sand, Muscheln oder Kokosnüsse dorhin verirrt. Ich hoffe, dass ich nichts übersehen habe.
Als ich, begleitet von übertriebenem Gestöhne, wieder in mein Haus trat, hörte ich, dass die Katze mit einem Hund um die Fischreste streiten musste, ging hinaus, sagte ihr, sie soll den Hund verprügeln (das war zumindest kein Selbstgespräch) und machte mich mit Gedanken an den Masalai an die Verarztung meines Fußes... ...vielleicht war der Alte nicht alt genug, oder der Alte hat den Fisch einem Jüngeren weitergegeben, oder ein anderer Masalai hats auf den Masta in Koromira abgesehen weil er vielleicht einen ihm unbekannten Brauch nicht beachtet hatte. Eine weitere durchaus wahrscheinliche Möglichkeit war, dass ich verhext oder vergiftet wurde. Sollte sich der Übeltäter zu seiner Tat bekennen, werde ichs bekanntgeben. Die kommenden Mahlzeiten mit leckerem Fisch und ein paar heilende Kräuter von Thomas werden den kleinen Kratzer sicher bald wieder heilen...
 
["Kanaka" ist das Tok Pisin Wort für Eingebohrener und beschreibt normalerweise lokale Alte-Schule-Buschmänner; "Peles" kommt vom englischen "place" und beschreibt ein Dorf bzw. eine kleine Siedlung, die meistens aus nicht mehr als 10 Häusern besteht; ein "Masalai" ist ein Geist - Masalais gibts hier überall; "Masta" steht neben "Bos" und "Waitman" für die fremden Gesellen mit der bleichen Haut]

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